
Der wichtigste Tipp für perfekte Fotos: Beweglichkeit!

Für eine Reportage hatte ich das Werk des kalifornischen Objektkünstlers mühselig an den Strand geschleppt: ein zwei Meter langer, aufwendig gestalteter Fantasie-Fisch in prächtigen Farben.
Um ihn möglichst wirkungsvoll in Szene zu setzen, befestigte ich ihn auf dem schlanken Metallpfahl, den ich dafür mitgebracht hatte, und platzierte ihn direkt am Brandungsrand. Jetzt wirkte er, als tauchte er in kühnem Sprung direkt aus der schäumenden Brandung.
Ich machte mich bereit und stellte mich bis zu den Knien ins Wasser, die Kamera im Anschlag. Und dann sah ich die Welle kommen! Ich drückte den Auslöser, riss schnell die Kamera hoch und rettete mich mit einem Satz an den Strand. Der Wasserschwall hinter mir packte das prächtige Fabelwesen, es löste sich vom Pfahl, die Rückenflosse brach ab und wurde gnadenlos von der Brandung verschlungen!
Alles geschah in Sekunden, und von fünf Fotos gab es nur ein einziges gelungenes – mehr Chancen hatte mir das Meer nicht gelassen. Den entstandenen Schaden zahlte zum Glück mein Auftraggeber...
Ein kurzer Blick in die Geschichte: Wie sich Dynamik in der Fotografie entwickelte.
Es ist immer wieder erstaunlich, unter welchen Bedingungen Bilder früher entstanden. Die Kameras waren groß und schwer, sie ruhten auf klobigen Stative und ihre Bedienung konnte umständlicher nicht sein. Die Motivkontrolle geschah unter einem schwarzen Tuch auf einem Mattscheibenbild, das auf dem Kopf stand, Fokussieren mit Maßband und Rändelschiene, Belichtungszeit schätzen, Verschluss spannen, eine Filmkassette pro Aufnahme auswechseln.
Zum Glück kam das Jahr 1913, als Oskar Barnack die Kleinbildkamera erfand (die legendäre Leica)! Leider wurde, wie so oft mit Innovationen, die Bedeutung nicht sofort erkannt. Das Gerät traf zunächst auf große Zurückhaltung und wurde gar nicht ernst genommen - so klein, so lächerlich!

Aber letztlich hat sie die Fotografie revolutioniert. Der entscheidende Grund: Ihre geringe Größe und schnelle Bedienbarkeit eröffnete Fotografen völlig neue Möglichkeiten.
Jetzt war es möglich, besondere Situationen und überraschende Momente spontan wahrzunehmen und nicht mehr zu verpassen. Die Kleinbildkamera läutete die aufregende Ära des Fotojournalismus ein und prägt sie bis heute mit.
Es gab noch andere Erfindungen, die das bewegliche Arbeiten mit der Kamera veränderten und damit zu ganz neuen Stilen führten:
- Das Zoomobjektiv, mit dem das Fotogepäck kleiner und die Fotografie schneller wurde.
- Der Autofokus, der schnelle Szenenwechsel meistert und damit z.B. die Event- und Sportfotografie wesentlich erleichterte.
- Die Steadicam, die das dynamische Filmen revolutionierte.
- Dann die winzige Actioncam, die uns näher als je zuvor mitten ins Herz der wildesten Szenen führt.
- Und die Kameradrohne, die unsere Sicht auf die Dinge sensationell verändert hat. Letztlich gehört auch Steadify dazu, der Stabilisator aus der Hüfte, weil er mehr Agilität ermöglicht.
Das wichtigste bei allen Erfindungen der Fotografie: Und es geht immer um Beweglichkeit.
Das perfekte Foto braucht Raum für Beweglichkeit
Bis zur Digitalisierung der Fotografie gehörte vor allem der Rollfilm zur Fototechnik, das war ein riesiger Fortschritt weg von der umständlichen Plattenkamera. In der Werbung wurde das quadratische Mittelformat des Filmmaterials bevorzugt, weil seine hohe Auflösung den Druck großer Plakate ermöglichte und auch, weil die Grafiker sich bei der Gestaltung der Anzeigen beliebige Ausschnitte ohne Qualitätsverlust wählen konnten. In der Handhabung waren diese Kameras allerdings recht behäbig.
Im Journalismus dagegen war es das flexible und schnelle 35 mm Kleinbildformat, mit dem die Fotografen die Welt bereisten. Ich erinnere mich an die Bemerkung einer Bildredakteurin des Magazins GEO: Fotografen, die sich stolz mit ihrer Mittelformatkamera präsentierten, hatten hier keine Chance für einen Auftrag. GEO traute ihnen schlicht nicht die Beweglichkeit zu, die sie als Voraussetzung sahen für den Anspruch der Redaktion an ungewöhnliche Bilder unter jeglichen Bedingungen.
Wie ich Beweglichkeit nutze, um das perfekte Foto zu schießen
Meine eigenen Erfahrungen haben mir das immer wieder gezeigt. Schon beim Packen vor der nächsten Reise ergeben sich die ersten wichtigen Entscheidungen. Was ist notwendig bei diesem Job, was ist überflüssig? Mit zunehmender Erfahrung hatte ich ein System entwickelt, das für mich gut funktionierte. Für die Anreise berücksichtige ich alle Eventualitäten.
Mein 400 mm Teleobjektiv z.B. benutze ich selten, ebenso das Reisestativ und auch zusätzliches Licht. Aber für die wenigen Gelegenheiten, wo es wichtig ist, habe ich auch diese Teile zumindest noch in meinem Hauptgepäck im Hotel oder im Auto. Ohne sie aber bin ich optimal flexibel, wenn ich auf Events oder in schwierigem Gelände unterwegs bin. Denn ein wirklich langes Telekobjektiv brauche ich nur für spezielle Themen, in der Natur oder bei sportlichen Events.
Und wann benötige ich ein Stativ oder mehr Licht? Eher nur zum Ende des Tages, oder unter extrem schlechten Lichtverhältnissen. Die meiste Zeit ist es nicht notwendig, dann bleibt es zurück. In vielen Situationen kann manches Objektiv, zusätzliches Licht, noch eine Kamera, oder ein Stativ eher hinderlich sein. Beweglichkeit war immer ein entscheidender Aspekt, wenn mir meine Fotos gelangen.
Unzählige Situationen fallen mir dazu ein, hier noch drei Beispiele:
Die Reportage über das Ballon-Event in Albuquerque, USA, mit dutzenden Heißluftballons am Start und am Himmel. Noch vor Sonnenaufgang trafen die Ballonfahrer mit ihren Trucks auf dem freien Feld vor der Stadt ein und bereiteten sich auf das Abenteuer vor, immer mit ungewissem Ausgang, abhängig vom Wetter. Gondelkörbe wurden abgeladen, riesige farbige Ballonhüllen ausgebreitet, Aggregate für den Auftrieb in Stellung gebracht.
Action überall, die Stimmen der vielen Helfer, die lauten Kommandos der Teams, das fauchende Zischen beim Entzünden der Brenner, mit denen Heißluft die Ballonhüllen füllte, bis diese sich zu beeindruckender Höhe aufrichteten. Dann die Starts, der aufregende Moment, wenn Männer an den Sicherheitsseilen zerrten, bis sich der Korb mit dem Ballonteam langsam vom Boden löste und majestätisch davonschwebte.

Und mittendrin: ich mit drei Kameras und Objektiven unterschiedlicher Brennweiten. Ein Knochenjob, den ich mit noch mehr Gepäck nicht zustande gebracht hätte. Beweglichkeit war die wichtigste Voraussetzung, um möglichst viele Momente wahrzunehmen, die oft genauso schnell vorbei waren, wie sie unversehens auftauchten.
Ach, und dann der Tag der Hochzeit meines Freundes Thomas. Die Stimmung um die prächtige Tafel, ausgelassen und feierlich zugleich. Die Szenarien, die ich festhalten wollte, änderten sich ständig. Ich kam kaum dazu, die Lammkeule zu kosten oder den Wein zu schlürfen. Die meisten Motive konnte ich mit dem Weitwinkel wahrnehmen. Für die Nahaufnahmen der Gesichter benutzte ich ein kleines Teleobjektiv. Nur die Lichtverhältnisse machten mir zu schaffen, aber ein Stativ hätte mir die Flexibilität genommen, selbst ein kleines Reisestativ wäre noch zu viel gewesen. Da ist ein Monopod die bessere Alternative.
Und hier noch ein Extrembeispiel der Filmproduktion in meiner unmittelbaren Nachbarschaft - Krabbenfang mit dem Kutter auf der Nordsee, absolut abenteuerlich. Das Wetter war gar nicht so schlecht, trotzdem erschwerte mir der permanente Schwell der kräftigen Nordseedünung das Agieren auf dem schwankenden Bootsdeck erheblich.
Einmal erschienen unverhofft Robben an Backbord, dann wieder wurden die breiten Schleppnetze eingeholt, von kräftigen Händen an Deck gezerrt und in die Behälter unter Deck entleert. Krabben kiloweise, dazwischen kleine Schollen, die nicht rechtzeitig flüchten konnten, Krebse, unentrinnbar mit dem Netz vom flachen Meeresboden geschabt. Und schließlich kippten die Fischer die Krabben in einen dampfenden, kochenden Wasserkessel am Bootsheck. So behielten sie ihren frischen Geschmack für die Gourmets an Land.
Ich glaube, ich war nur deshalb nicht seekrank geworden, weil mich meine Arbeit total abgelenkt hat.

Das Fazit: Fototechnik ohne Beweglichkeit reicht nicht.
In der Fotografie steht oft die Technik im Mittelpunkt, um super Bilder zu ermöglichen. Objektive, die andere Perspektiven eröffnen, Kameras mit tollen Funktionen, Zubehör mit wundersamer Wirkung. Dabei wird oft vergessen, dass es wichtigeres gibt, als die neueste Technik und ganz oben steht die Beweglichkeit.
Mit der Fotografie wollen wir Momente festhalten, die ungewöhnlich und oft vergänglich sind. Wir streben nach dem besonderen Bild und lassen uns von unserer Kreativität beflügeln.
Alles um uns herum ist ständig im Wandel. Je beweglicher wir mit der Kamera sind, desto mehr können wir mit ihr einfangen. Wir müssen der Dynamik folgen. Das bedeutet nicht unbedingt, große Action und unruhige Szenen. Es kann alles viel unscheinbarer sein. So wie das Chamäleon lange bewegungslos verharrt und dann blitzschnell sein Opfer mit seiner langen Zunge schnappt. Oder der Naturfotograf, der geduldig auf den Moment wartet, bis die Biene abhebt, die Brandung am höchsten bricht oder ein unverhoffter Sonnenstrahl die beste Stimmung schafft.
Was macht uns beweglich? Neugier, Kondition, kleines Gepäck und leichtes Equipment. So entstehen Bilder, die mit dickem Ballast nicht möglich sind.